Neue Kompetenzen für die digitale Welt

Wenn ich auf das vergangene Jahr zurückschaue, sehe ich auch positive Entwicklungen, die durch das Coronavirus ausgelöst bzw. beschleunigt wurden. Die Digitalisierung gewinnt an Fahrt, eine neue Arbeitswelt zeigt erste Konturen, in der in immer mehr Unternehmen verstanden wird, dass das „lebenslange Lernen“ ein integraler Bestandteil dieser Veränderungen von Wirtschaft, Arbeitswelt und Gesellschaft ist.

Was sind aber die wichtigen Kompetenzen, die wir für die digitale, vernetzte Welt brauchen? Hierzu möchte ich Ihnen drei Studien kurz vorstellen, deren Schwerpunkte, Perspektiven und meine Sichtweise dazu.

Die gemeinsame Sichtweise aller Studien und Experten zu dem Thema ist, dass wir uns über alle Stationen des Lernens stärker auf die Vermittlung, das Training, Üben von überfachlichen Kompetenzen ausrichten müssen. Diese sog. Schlüsselkompetenzen (Metakompetenzen oder Kernkompetenzen finden Sie auch als Begriff hierfür) erlauben es uns, unabhängig von der jeweiligen Tätigkeit, arbeits- und beschäftigungsfähig zu bleiben, selbst wenn sich die Tätigkeiten, der Arbeitgeber oder das Umfeld ändern. Neben diesen überfachlichen Kompetenzen werden aber auch fachliche Kompetenzen immer wichtiger, die mit der Digitalisierung der Wirtschaft zu tun haben. Die drei Studien unterscheiden sich im Fokus der betrachteten Qualifikationen und auf die befragten Gruppen und bieten aus meiner Sicht spannende Perspektiven auf das Thema.

Beginnen möchte ich mit dem jüngsten Diskussionspapier, das der Stifterverband zusammen mit McKinsey im Dezember 2020 veröffentlicht hat[1]. Hierbei wurden im August letzten Jahres mehr als 550 Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern online befragt, Leitende Angestellte und Personalverantwortliche. Daneben wurden qualitative Interviews geführt.

In Bezug auf die abgeleiteten Future Skills gefallen mir die Dreiteilung und die Analyse der digitalen und nicht-digitalen Schlüsselkompetenzen neben den Tech-Fähigkeiten. Das Chart zeigt daneben, wie sich die Einschätzung gegenüber der letzten Studie aus 2018 verändert hat.

Grafik aus Studie des Stifterverbandes mit McKinsey, siehe Fußnote unten

Demgegenüber legt die Studie des Personalernetzwerks „Initiative Wege zur Selbst-GmbH“ (in dem ich auch Mitglied bin) den Fokus allein auf die überfachlichen Schlüsselqualifikationen, dort als Metakompetenzen benannt[2]. Neben einer Metaanalyse bestehender Studien zu dem Thema wurden Personalverantwortliche befragt. Auch diesen Ansatz finde ich sehr hilfreich, weil in der Studie die erforderlichen Schlüsselkompetenzen intensiv analysiert werden. Die Studie unterteilt die Schlüsselkompetenzen in elementare (unerlässlich in allen Branchen, Tätigkeiten) und notwendige (auch sehr wichtig, aber eher unterstützend als unerlässlich). Darüber hinaus identifiziert die Studie homogene und heterogene Metakompetenzen. Bei homogenen Metakompetenzen sind sich die Experten über die Bedeutung der Kompetenzen für die neue Arbeitswelt einig. Heterogene Metakompetenzen sind hingegen solche, die in Abhängigkeit von der Situation und den Anforderungen relevant sind. Die folgende Grafik (die ich aus der unten verlinkten Studie entnommen habe) zeigt diese 4 Rubriken.

Grafik aus Studie der „Selbst-GmbH“, vergleiche Fußnote 2

Neben dem breiteren Blick, welche Schlüsselqualifikationen wir in Zukunft brauchen, unterscheidet sich diese Studie gegenüber dem erstgenannten Diskussionspapier, dass die digitalen Schlüsselqualifikationen im Punkt „Digital Learning“ breiter definiert werden. In der ersten Studie geht es „nur“ um das digitale Lernen. Gerade im Bereich Lernen sind aber für mich nicht nur neue Formen des digitalen Lernens wichtig, sondern neue Ansätze, Tools, Formate des hybriden und analogen Lernens in allen Phasen des lebenslangen Lernens.

Eine dritte spannende Perspektive bietet die Online-Studie „25next – Bildung für die Zukunft“ der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung mit dem SINUS-Institut, da hier gut 1100 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter zwischen 14 und 24 Jahren befragt wurden, also neben den Perspektiven von Managern bzw. Personalverantwortlichen hier die Jugend sich einbringen konnte. Neben Fragen zum Optimismus bzgl. der Zukunftsaussichten und wie gut man sich auf die Zukunft vorbereitet fühlt, wurde auch abgefragt, welche Eigenschaften und Fähigkeiten für die junge Generation wichtig sind, um im Beruf erfolgreich zu sein. Die folgende Liste zeigt die Top-10 der am meisten genannten Future Skills[3]. In der Klammer finden Sie, wie häufig der jeweilige Punkt genannt wurde. Mit roter Schrift habe ich die Punkte aufgeführt, die in den beiden erstgenannten Studien nicht berücksichtigt sind.

  1. Neue Dinge lernen bzw. sich weiterbilden (94 Prozent)
  2. In stressigen Situationen einen kühlen Kopf bewahren (94 Prozent)
  3. Sich angemessen benehmen (93 Prozent)
  4. Die eigene Zeit richtig einteilen (91 Prozent)
  5. Teamarbeit (90 Prozent)
  6. Knifflige Probleme lösen (89 Prozent)
  7. Probleme offen ansprechen (89 Prozent)
  8. Aus vielen Informationen die Wesentlichen erkennen (87 Prozent)
  9. Leicht mit anderen Menschen in Kontakt kommen (85 Prozent)
  10. Drei Punkte teilen sich Platz 10 mit je 83 Prozent:
    1. Interkulturelle Kompetenz
    2. In stressigen Phasen auf mich und meine Gesundheit achten
    3. Mich und meine Ideen gut verkaufen

Ich finde, dass gerade die roten Punkte die realistische Sichtweise zeigen, dass es in der Arbeitswelt nicht nur auf die richtigen Ideen ankommt, sondern auch auf Vermarktung, Zeitmanagement und gutes Benehmen. Der Punkt „Probleme offen ansprechen“, belegt für mich auch, dass junge Menschen sich in der Arbeitswelt eine offene Kultur wünschen.

Ich denke, dass diese drei Studien einen sehr guten Überblick bieten, welche Schlüsselqualifikationen auch für Ihr Unternehmen erfolgskritische Future Skills sein können. Auch die Berufsberatung gerade für junge Menschen diese neuen Schlüsselqualifikationen evaluieren. Besondere Herausforderungen sehe ich für Führungskräfte. Führungskräfte nehmen in der Transformation der Wirtschaft die wichtigste, weil initiierende und treibende Rolle ein. Die Veränderungen im Bereich Leadership werden in den Studien aber nicht gesondert adressiert – dazu können Sie hier meinen Beitrag zum Thema „Digital Leadership“ lesen.


[1] https://www.stifterverband.org/medien/die-zukunft-der-qualifizierung-in-unternehmen-nach-corona

[2] https://selbst-gmbh.de/wissen/studien-und-forschung/

[3] Meine leicht erweiterte Liste basiert auf der Auswertung in dem sehr lesenswerten Artikel von Dr. Ulrich Schmid „Future Skills: Von Communication bis zu Coolness“ https://www.digitalisierung-bildung.de/2020/01/06/future-skills-von-communication-bis-zu-coolness/

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