Nach meiner SWOT-Analyse zu OKRs möchte ich mit Ihnen ein Framework für Performance Reviews teilen, die in einen agilen Kontext passen und ein wichtiger Baustein in der Neuausrichtung des Performancemanagements sind. Der Ansatz eignet sich besonders für Unternehmen, die sich sukzessive von einer hierarchischen Struktur und Kultur entfernen wollen.
Gerade in schwierigen Zeiten braucht es fundamental neue Ansätze. Mit dem hier vorgestellten Ansatz unterstützen Sie eine Kultur des ständigen Lernens, eine Weiterentwicklung von Führung und die Bereitschaft, Veränderungen im Unternehmen mitzugehen.
Warum Sie Ihre Reviews unter die Lupe nehmen sollten
In Deutschland sind verschiedene Formate unter dem Begriff der „Performance Reviews“ im Einsatz: Leistungs- und Potenzialbeurteilungen, Mitarbeitergespräche sowie Rückmeldungen zum Status beziehungsweise zu den Ergebnissen von Zielsetzungen. Fast immer finden sie einmal im Jahr statt, haben verpflichtenden Charakter und sind im „Top-Down-Modus“ angelegt. Eine Rückmeldung der Mitarbeiter an die Führungskraft ist bisher selten vorgesehen. Wie Sie weiter unten lesen werden, ist das vorgestellte Framework anders, zuerst die wesentlichen Schwachstellen der aktuellen Praxis:
- In Langzeitstudien zur Beurteilung von Führungskräften konnte der so genannte Rater-Effekt nachgewiesen werden. Gut 50 Prozent der Führungskräfte zeigen – unabhängig vom Team, vom Erfolg des Teams – ein stabiles Beurteilungsmuster.1 Gleicher Mittelwert, gleiche Abweichung, gleiche Verteilung in den Beurteilungsclustern. „Großzügige“ Beurteilungsmuster stehen zurückhaltenden unter den Führungskräften gegenüber. Auf Basis dieser Daten werden erfolgskritische HR-Prozesse verzerrt. Hinzu kommen die bekannten Bias-Effekte. Ich finde es mindestens sehr mutig, auf Basis dieser schlechten Daten zum Beispiel ein Talent-Management aufzubauen.
- Der nur jährliche Austausch über Performance, Qualifizierungsbedarf und Potenzial steht oft nicht mehr im Einklang mit der Dynamik und Komplexität im Geschäft.
- Die aktuelle Praxis legt keinen Fokus auf zeitnahe und kontinuierliche Verbesserung, eine positive Kosten-Nutzenrechnung ist fraglich und basiert auf einem überholten Führungs- und Organisationsmodell (Top-down, One-Size-Fits-All). Jahresbezogene Modelle und kontinuierliche Verbesserung – der Widerspruch dürfte offensichtlich sein.
- Oft basieren die Ansätze auf veralteten Kompetenzmodellen und blicken damit in die Vergangenheit statt auf zukünftige Anforderungen.
- Die Beurteilung an einem festen, in der Regel für ein Unternehmen einheitlichen Set von Kompetenzen, ist oft zu starr, wird der Führungsvielfalt im Unternehmen nicht gerecht und schränkt Führungskräfte zu sehr ein. Dies gilt insbesondere, wenn Sie zusätzlich noch Verteilungsvorgaben oder Abstimmungsrunden für die individuellen Ergebnisse machen. Digitale Transformationskompetenzen sind im Wesentlichen Soft Skills, die mit bestehenden Ansätzen nicht beziehungsweise zu wenig nachhaltig entwickelt werden.
- Die Ansätze fördern „Einzelkämpfer“, immer mehr Unternehmen setzen aber auf die Entwicklung der Teamkultur.
- Der Jahresturnus überfordert Führungskräfte in der objektiven Beurteilung von Leistung und Potenzial. Erkenntnisse aus der kognitiven Psychologie belegen dies, weil unser Gehirn gerade in Beurteilungsfragen sehr subjektiv ist und bei der Analyse fast nur kurzfristige und leicht verfügbare Daten und Eindrücke verarbeitet (und nicht die komplette Leistung im betrachteten Jahr).
- Führungskräfte sehen wenig Nutzen bei hohem Aufwand. Mitarbeiter wiederum wünschen sich häufiges Feedback und fühlen sich in den Schulnotenmodellen der Leistungsbeurteilung oft ungerecht behandelt.
- Eine produktive Feedback-Kultur wird nicht wirklich entwickelt, dafür finden die Gespräche zu selten statt und es wird ein angstbehaftetes Feedback-Modell verwendet.
Ein dreiteiliges Gesprächsformat als Treiber Ihrer Transformation
McKinsey hat in der Studie „Harnessing the Power of Performance Management“ 3 Schlüsselfaktoren für die Wirksamkeit von Performance Management identifiziert, von denen 2 mit dem folgenden Ansatz fokussiert werden: „Effective Coaching by Managers, Goals linked to buisness priorities“. Der dritte – differenzierte Vergütung – kann durch eine intelligente Vernetzung mit dem Modell ebenfalls gefördert werden.
Positive Ergebnisse für Produktivität und die Beschleunigung von Veränderungsprozessen verspricht daher ein Grundgerüst eines dreiteiligen Gesprächsformats zwischen Mitarbeitern und Führungskraft:
1. Erwartungen
Hierbei werden kurzfristige To-do´s, wichtige Meilensteine und kurzfristige Ziele besprochen. Die Führungskraft erläutert den Beitrag des Mitarbeiters für das Team und die Strategie des Unternehmens. Festgelegt wird, wie die Führungskraft den Mitarbeitern und dem Team in den Punkten am besten helfen kann.
2. Feedback
Aus meiner Sicht sollte Feedback immer wechselseitig, konstruktiv und auf Augenhöhe sein. Ich empfehle ein Format, bei dem Feedback nicht gegeben, sondern erbeten wird. Konkret tauschen die Gesprächspartner im Vorfeld des Termins die Punkte aus, zu denen der Feedbacknehmer vom Gegenüber eine Rückmeldung haben möchte. Ideal ist es, wenn man sich bei der Vorbereitung des Gesprächs zudem überlegt, wie der Gesprächspartner auf die adressierten Themen reagieren könnte. Der Vorteil dieses Modells ist, dass man Klarheit über die Themen hat. Denn Ungewissheit über Inhalte und Art des Feedbacks führt dazu, dass beide Gesprächspartner Vorbehalte oder sogar Angst vor Feedback haben. Neurowissenschaftliche Erkenntnisse bestätigen den hier geschilderten Ansatz als weniger angstbelegt. In der Praxis hat sich gezeigt, dass dann sogar eher die Themen besprochen werden, die für das Team und das Unternehmen wirklich wichtig sind.
3. Entwicklung
In dieser Rubrik werden aktuelle Entwicklungsmöglichkeiten besprochen. Die Rolle von Führungskräften ändert sich in Richtung Coach/Mentor. Dabei bespricht die Führungskraft mit dem Mitarbeiter, wie erfolgreich eine Qualifizierung gewesen ist und hinterfragt die Lernfortschritte. Neben der Vereinbarung von neuen Trainings geht es hier auch um Übernahme von Projekten, Erweiterung der Arbeitsaufgaben, Job Rotation etc., die die persönliche Entwicklung fördern.
Daneben analysieren beide die Fortschritte bei den Soft Skills, die erfolgskritisch in den anstehenden Veränderungen für das Unternehmen sind (wie Veränderungsbereitschaft, Teamfähigkeit, Teilen von Wissen, kommunikative Kompetenz, unternehmerisches Denken, Kundenorientierung…) und vereinbaren Unterstützungsmöglichkeiten.
Neue Rollen von Führungskräften
Nutzen Sie dieses Modell als Rahmen für Ihre neuen Reviews und konkretisieren Sie die drei oben genannten Bausteine. Dynamik, Komplexität des Geschäfts und Ihre Führungskultur sind die Leitplanken für die Konkretisierung. Gerade größere Unternehmen werden mit ambidextren Modellen im Bereich Führung und Organisation arbeiten. Starten Sie doch mit diesem Ansatz in den Bereichen, die Sie (zuerst) verändern wollen. Weil die Elemente Feedback und Entwicklung sich erst durch das regelmäßige Anwenden und Üben verbessern, sollte dieses Gesprächsformat mindestens einmal im Quartal stattfinden.
Die veränderte Rolle für Führungskräfte entspricht den Anforderungen an Führung in digitalen und agilen Unternehmen. Er ist eine Antwort auf die Frage, wozu Führungskräfte in der digitalen Ökonomie gebraucht werden. Führungskräfte werden gegenüber den bestehenden Ansätzen insofern gestärkt, als Abstimmungsrunden oder Steuerungsvorgaben wegfallen. Nebenbei können Sie so auch in hierarchisch aufgebauten Unternehmen agile Prinzipien einführen.
- Zum Thema Rater-Effekt empfehle ich als Lektüre „Nine Lies About Work“, von Marcus Buckingham und Ashley Goodall. ↩︎
2 Kommentare on “Mit agilen Performance Reviews die Transformation beschleunigen”