Wahlprognose 2021 aktuell: Olaf Scholz auf Kanzlerkurs?

Wir nähern uns dem Wahltermin und ich habe das Gefühl, ein Schneckenrennen ins Kanzleramt zu verfolgen. (In meinem Blog gibt es mittlerweile aktuellere Beiträge zu dem Thema, die Sie über die Suchfunktion mit dem Stichwort „Bundestagswahl“ finden können). Eine Auseinandersetzung über Inhalte findet kaum statt, das Klima Sofortprogramm der Grünen ist verpufft. Politisch am brisantesten scheint die Diskussion um die Erhöhung der Impfbereitschaft. Die Diskussion über Inhalte wird überlagert von der Empörung über Plagiate oder ein Lachen im Hochwassergebiet. Könnten wir unseren Kanzler bzw. unsere Kanzlerin direkt wählen, würden aktuell 21 Prozent Olaf Scholz, 15 Prozent Annalena Baerbock und 13 Prozent Armin Laschet wählen (nur möchte ich für alle drei hinzufügen), wie Forsa jüngst ermittelte[1]. Allerdings setzt sich Olaf Scholz deutlich von den anderen ab[2] und die aktuellen Zahlen von Infratest dimap zeigen einen spannenden Trend für die SPD. Zeit also für eine Aktualisierung der Wahlprognose 2021 aus April. In diesem Post lege ich den Fokus auf SPD, Union und Grüne und gebe auch ein Update zu den möglichen Koalitionsoptionen.

Wie in der ersten Prognose auch, sehen Sie in der Tabelle für alle Parteien im Bundestag und den Block der Sonstigen meine veränderten Einschätzungen mit Minima, Maxima und dem Mittelwert daraus. Rot markierte Werte bedeuten eine Reduzierung in der Prognose, grün markiert eine Erhöhung. Für diese Einschätzungen nutze ich Techniken aus der Chartanalyse, die Sie vielleicht von der Börse kennen – Erläuterungen erhalten Sie im oben verlinkten Beitrag aus April oder in anderen Beiträgen zum Thema, die Sie im Suchfeld rechts oben über das Stichwort „Bundestagswahl“ abrufen können. In der letzten Spalte finden Sie die aktuellen Umfragewerte von infratest dimap.

 MinimaMaximaDurchschnittUmfrage 5.8.*
CDU/CSU252826,527
Grüne192220,519
SPD16201818
FDP10121112
Linke67,56,756
AfD9111010
Sonstige6,587,258
Basisdaten von infratest dimap, eigene Berechnungen


Im ersten Chart sind die Zufriedenheitswerte der o. g. Parteien für diese und die vergangene Legislaturperiode aus Datenreihen von Infratest dimap abgebildet. Dem Abschwung der Union steht der Aufschwung der SPD gegenüber, die Grünen konsolidieren sich bei 19 Prozent.  

SPD: bester Wert seit Corona bzw. Mai 2019

Olaf Scholz zieht seine Partei nach oben. In den vergangenen Umfragen konnten sich die Sozialdemokraten deutlich von ihrem mittelfristigen Abwärtstrend (linear SPD) entfernen (gelber Kreis) und haben die Höchstwerte in der Coronazeit – dreimal 17 Prozent (rote Kreise) – übertroffen (weißer Kreis). Daneben hatte die SPD letztmalig am 2. Mai 2019 einen 18-Prozentwert.

Aus Chartsicht spricht das Durchbrechen der 17-Prozent-Linie (grüne Gerade) dafür, dass sich jetzt ein nachhaltiger Aufwärtstrend bilden kann. Bisher hatte ich die SPD in einem Korridor zwischen 14 und 17 Prozent gesehen, den die SPD jetzt verlassen hat. Den unteren Wert habe ich daher auf 16 angepasst. Für den oberen Wert gibt es aus einer Chartanalyse wenig Hinweise. Wenn das Durchbrechen der grünen Linie keine „Eintagsfliege“ war, könnte es durchaus weiter nach oben gehen. Die Obergrenze habe ich aktuell bei 20 Prozent gesetzt.

Armin Laschet wird zur Belastung für die Union

Armin Laschet verliert in der Zustimmung weiter und er reißt die Union mit nach unten. Markus Söder war schon vor der Kandidatenkür der Union der beliebtere Kandidat, auch bei Union-Wähler*innen; und die Spitzen, „gut gemeinten“ Ratschläge und das Vorpreschen in Themen durch Markus Söder schaden Herrn Laschet und der Union zusätzlich.

Im Chart sieht man, dass die Union den mittelfristigen Abwärtstrend nicht nach oben durchbrechen konnte, sodass eher eine Bewegung weiter nach unten möglich erscheint. Bei der Union bleibt es bei meinem Prognosekorridor zwischen 25 und 28 Prozent. Immerhin droht aktuell nicht die Gefahr, dass sie nicht die stärkste Partei wird.

Grünen gelingt die Trendwende nicht

Ich hatte vermutet, dass außergewöhnliche Wetterereignisse (wie die Hochwasserkatastrophen an Ahr und Erft) das Thema Klimapolitik und damit die Grünen nach vorne bringen. In den Zahlen sehen wir aber nur eine Konsolidierung bei 19 Prozent (weißer Kreis). Auch konnte man mit dem Klima Sofortprogramm bei den Wähler*innen nicht ausreichend punkten. Eine Trendumkehr könnte zwar von der gelben Geraden ausgelöst werden, die relative Minima (gelbe Kreise) der Vergangenheit verbindet. Nach dem deutlichen Absturz von dem Höchstwert von 26 Prozent (roter Kreis) sehe ich kaum starke Impulse nach oben.

Frau Baerbock ist ein Bremsklotz für weitergehende Ambitionen der Grünen. Der mittelfristige Aufwärtstrend der Grünen ist in meiner angepassten Prognose jetzt die Obergrenze (22 statt vorher 26 Prozent), unter 19 Prozent sollte es aber nicht gehen.

Weiterhin 5 Koalitionsoptionen


Verglichen mit dem Post aus April gibt es rechnerisch weiterhin 5 Optionen für Parteienbündnisse, die eine Mehrheit im Bundestag bedeuten würden.


Neben den oben beschriebenen Veränderungen hat sich in den letzten Umfragen auch der Bereich der Sonstigen erhöht. Da kaum eine der sonstigen Parteien über die 5-Prozenthürde kommen wird, reichen auf Basis der Prognose 46.4 Prozent für eine Mehrheit im Bundestag – Basis Zweitstimmen, ohne Überhangmandate. Gegenüber der Aprileinschätzung wird es enger für das immer noch mögliche Zweierbündnis – Union/Grüne, durch die Verluste bei den Grünen wird Rot/Rot-Grün unwahrscheinlicher.

Wird Olaf Scholz Kanzler über die Ampel?

Mit der SPD muss wieder gerechnet werden, wer hatte das vor Kurzem noch gedacht? Schon die nächste Umfrage wird zeigen, wie nachhaltig oder stark der aktuelle Schub für die Sozialdemokraten ist. Die Ampel-Koalition, die von vielen Beobachtern als politisch realistisch gesehen wird, wäre die einzige Option ohne Beteiligung der Union. Wenn der Aufwärtstrend der SPD weiter geht, die SPD die Grünen auf der Zielgeraden noch abfängt, könnte eine Ampelkoalition Olaf Scholz zum Kanzler küren.


[1] https://www.n-tv.de/politik/Soeder-wuerde-Union-mehr-Stimmen-bringen-article22724496.html

[2] Auch der ARD-DeutschlandTrend zeigt Olaf Scholz im Aufwärtstrend und deutlich vor Baerbock/Laschet https://www.infratest-dimap.de/umfragen-analysen/bundesweit/ard-deutschlandtrend/2021/august/

2 Kommentare on “Wahlprognose 2021 aktuell: Olaf Scholz auf Kanzlerkurs?

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