Wie künstliche Intelligenz und Robotik unsere Arbeitswelt verändern

Wir erleben gerade den Beginn eines Hypes um künstliche Intelligenz (KI), ausgelöst durch ChatGPT. ChatGPT steht für eine „Familie“ generativer KI, die vorhandene Daten (Texte, Bilder, Zahlen, Audiodateien, Videos) nutzt, um neue Inhalte zu generieren und komplexe Datenstrukturen zu analysieren. Welche Auswirkungen hat dies auf die Arbeitswelt, die Zukunft oder die Zukunftsfähigkeit unserer Jobs? Neben der KI geht es in diesem Post auch um die Effekte der Robotik.

Die Technologiestrategen von Gartner bescheinigen der generativen KI eine Innovationsbeschleunigung. 5 Bereiche haben besonderes Potenzial[1]: Medikamentenentwicklung, Materialwissenschaften, Chipdesign, synthetische Daten und alle Bereiche des Produktdesigns. Bereits für 2025 prognostiziert Gartner, dass mehr als 30 % – gegenüber heute null – der neuen Medikamente und Materialien systematisch mithilfe generativer KI-Techniken entdeckt werden. Daneben wird bis 2025 erwartet, dass 30 Prozent der Marketing-Messages und um 2030 ein Blockbuster zu 90 Prozent durch eine KI erstellt wird. Gartner hat die generative AI in ihrem Emerging Tech Impact Radar[2] in den Quadranten der Produktivitäts-Revolution eingeordnet, mit einer hohen Auswirkung auf die Märkte und einer mittelfristigen Umsetzung (3 bis 6 Jahre). Daneben sind die bekannten Ansätze schon bemerkenswert gut in der Erstellung von Texten, Bildern (wie das Titelphoto), Kunst, Musik. Sie erledigt Hausaufgaben oder Studienarbeiten in hoher Qualität.

Auswirkungen auf unsere Jobs

Zu den Auswirkungen von KI und Robotik auf unsere Jobs möchte ich kurz wichtige Studien vorstellen:

Die OECD sieht in einer Studie vom Januar 2021 für ihre Mitgliedsländer, dass 14 Prozent der Arbeitsplätze gefährdet sind[3]. Für Deutschland sind es 18,4 Prozent. Die OECD sieht die Gefahr eher bei geringqualifizierten Arbeitsplätzen.

McKinsey hat in ihrer Studie „Jobs lost, Jobs gained” von 2017[4] auch die Einflüsse auf Skills und Gehälter bis 2030 in 46 Ländern untersucht. Zwar werden gut die Hälfte der Jobs auf Basis bekannter Technologien als automatisierbar eingeschätzt, McKinsey rechnet bis dahin aber nur mit einer Umsetzung für 15 Prozent. Dem stehen aber genügend neue Jobs gegenüber, sodass hier eher von einer Transformation als von einem Nettoverlust an Arbeitsplätzen gesprochen werden kann. Wie die OECD sieht auch McKinsey für Deutschland ein höheres Automatisierungsrisiko (24 Prozent). Auch sie ziehen eine positive Transformationsbilanz, neue Jobs entstehen durch Wachstum und insbesondere durch die Alterung der Bevölkerung (Pflege, Medizin), daneben sieht McKinsey auch ein hohes Wachstum bei den Professionals (Juristen, Wirtschaftsspezialisten). Neben diesen Einschätzungen im sog. Trendline-Szenario enthält die Studie auch ein beschleunigtes Szenario, in dem der Nettoeffekt negativ ist, 17 Mio. Arbeitsplätze verloren gehen (gut 45%) und weitere 12 Mio. Erwerbstätige den Job wechseln oder sich für einen anderen qualifizieren müssen. Anders als die OECD sieht McKinsey den größeren Veränderungseffekt bei qualifizierten Tätigkeiten.

Vom April 2022 stammt eine Analyse von Wissenschaftlern aus Lausanne[5], wie hoch der Anteil der Arbeit ist, der nach heutigem Stand der Technik durch KI oder Roboter ersetzt werden kann. Sie haben dafür 1000 Jobprofile analysiert. Ihre Kenngröße ist der Automatisierungs-Risiko-Index (ARI). Dabei haben Physiker mit 0,44 (44 Prozent ersetzbar) den niedrigsten Wert, den höchsten mit 0,78 (78 Prozent) gibt es in der Fleischverarbeitung. Über den letzten Link in Fußnote 5 könnt Ihr die ARIs für die untersuchten Jobprofile abrufen. Dabei wird nicht nur das Beschäftigungsrisiko des betrachteten Profils angezeigt, sondern auch 3 sogenannte resiliente Alternativen. Resilient deshalb, weil sie einen niedrigeren ARI haben und eine hohe Verwandtschaft in den Kompetenzen aufweisen und somit erlernbar sind. Allerdings sind die Einschätzungen des Automatisierungsrisikos für die alternativen Berufe oft nur geringfügig besser. Die Studie konzentriert sich auf die technischen Möglichkeiten der Automatisierung. Ob wir tanzende Roboter (ARI der Tänzer 0,66), Filme ohne reale Schauspieler (ARI 0,61), einen Roboter auf der Intensivstation (ARI von 0,58) ein Jobinterview mit einem Roboter wollen, bleibt offen.

DALL·E, Jobinterview mit Roboter

KI dringt auch in bisher als sicher eingestufte Jobs ein

Aus meiner Sicht kommen wir mit der generativen KI sehr schnell in eine Phase der Automatisierung in Bereiche, die bisher nicht im Fokus der Automatisierung standen. Alles, was erlernbar ist, kann generative KI auch ersetzen. KI bedroht stark Arbeitsplätze mit hoher Qualifikation. Wer bisher z.B. als Jurist dachte, der Job sei sicher, bekommt durch die veröffentlichten Wettbewerbe Mensch gegen KI einen Eindruck von der Leistungsfähigkeit der KI. Spannend ist die Studie, in der 20 erfahrene amerikanische Anwälte gegen eine mit zehntausenden Verträgen trainierte KI (Machine and Deep Learning) bei der Analyse von Geheimhaltungsvereinbarungen (NDAs)[6] antraten. Die KI war nicht nur viel schneller, sondern auch viel genauer als die Anwälte (in einem Jobcluster, wo McKinsey noch ein Wachstumspotential sah). Das Rechtswesen galt bis dahin als schwierig für eine KI zu erlernen, da es sich um eine spezifische Fachsprache und eine schwierige Materie handelt. Das Beispiel zeigt, dass KI in Tätigkeiten „eindringt“, die bisher als zu komplex und spezifisch für KI galten.

Der KI-Zweig Natural Language Processing (NLP) ist auf die Interaktion zwischen Mensch und Computer in natürlicher Sprache spezialisiert. Chatbots und virtuelle Assistenten sind auf dem Vormarsch. Zukünftige NLP-Systeme haben ein sehr hohes Verdrängungspotenzial für Kundenhotlines im Service und Vertrieb. 

Auch Arbeitsplätze, die keine physischen Produkte herstellen, sind stark gefährdet, z.B. im Finanzwesen, im Versicherungswesen, für mich auch im Marketing. Ein Bundesverband für Busunternehmen hat gerade einen Fachkräftemangel von 87.000 Busfahrern bis 2030 errechnet. Auf der anderen Seite können autonome Fahrsysteme im Transportgewerbe LKW-Fahrer, Taxifahrer und Busfahrer ersetzen und mit der Digitalisierung der Bahninfrastruktur in der Zukunft auch Lokführer.

Wo neue Jobs entstehen

Es entstehen auch neue Arbeitsplätze. Das World Economic Forum (WEF)[7] hat für die Jahre 2020 bis 2022 eine steigende Nachfrage nach Arbeitsplätzen mit „digitalen“ und „menschlichen“ Kompetenzen festgestellt. Das WEF sieht aus der Analyse 7 aufstrebende Berufscluster mit 96 Jobs, die die dafür erforderlichen Kompetenzen von morgen beinhalten. Die 7 Cluster sind:

  • Care Economy
  • Data and AI
  • Engineering and Cloud Computing
  • Green Economy
  • People and Culture
  • Produktentwicklung
  • Sales, Marketing and Content

Wenn man sich die einzelnen Jobs anschaut, gibt es aus meiner Sicht tatsächlich sehr viele, bei denen KI in Zukunft eher unterstützen als verdrängen wird (Recruiter, Employee Learning aus dem Bereich People and Culture). Im Bereich Cloud Computing sehe ich eher eine Verschiebung von entwicklungsorientierten Jobs hin zu Engineering-Jobs, da KI zunehmend auch Code schreiben kann.  Im Bereich Sales und Marketing denke ich, dass KI hier in Zukunft neben der Unterstützung auch viel ersetzen kann.

Die oben genannten Jobcluster sind daher auch als stabile Zukunftsfelder, mit einer Einschränkung für das Cluster Sales, Marketing and Content. Jobs für die Green Economy haben mit dem Umbau der Wirtschaft in Richtung C02-Neutralität und Nachhaltigkeit ein Zukunftspotenzial, das sich in den Jahren 2020 bis 2022 in den Zahlen kaum gezeigt hat.

Worauf wir uns einstellen sollten   

Wir diskutieren derzeit fast nur über Fachkräftemangel und demografische Probleme. Und ein Automatisierungsrisiko (ARI) von 64 Prozent für Klempner löst mein aktuelles Problem nicht, welcher Handwerker unser Bad neu macht. Auf der anderen Seite werden aus meiner Sicht die mittelfristigen Arbeitsmarkteffekte des technologischen Wandels unterschätzt bzw. verdrängt; dazu später mehr in meinem Blog.

Mit Blick in die Zukunft zeigen die Studien für Deutschland überdurchschnittliche Veränderungen. Die Forschungsergebnisse aus Lausanne sehe ich derzeit als Obergrenze der tatsächlichen Veränderungen mit unterschiedlichen Veränderungsgeschwindigkeiten. Der Fortschritt der KI in Hard- und Software in der Rechenleistung verdoppelt sich gut alle 6 Monate. In den Berufen, die durch die Entwicklung der KI verändert werden, werden wir daher bereits in den nächsten 5 Jahren hohe Rationalisierungspotenziale sehen. Die Automatisierung durch Roboter wird langsamer voranschreiten. Daher gehe ich davon aus, dass wir auch im Handwerk noch lange sichere Jobs haben werden. Mit Blick auf die McKinsey-Studie 2017 orientiere ich mich am beschleunigten Szenario und sehe in meiner Berufsberatung die 7 Jobcluster des WEF + Handwerk als sicheren Einstieg ins Berufsleben. Insbesondere Berufe, die Empathie als elementaren Softskill erfordern, sind relativ zukunftssicher.

Die technischen Veränderungen kommen zu einer ohnehin schwer einschätzbaren wirtschaftlichen Entwicklung hinzu. Berufs- und Karriereplanung werden dadurch unsicherer und komplexer. Lebenslanges Lernen verbunden mit Veränderungsbereitschaft sind daher für mich die wichtigsten Skills der Zukunft. Wer nicht lernt, sich nicht verändert, ist auf dem Arbeitsmarkt und im aktuellen Job schnell nicht mehr konkurrenzfähig. Eine Studie von Stepstone, der Boston Consulting Group und The Network[8]  zeigt allerdings, dass in Deutschland noch Nachholbedarf besteht. Demnach bilden sich nur 38 Prozent der Deutschen regelmäßig weiter (weltweit 65 Prozent) und nur 53 Prozent sind bereit, sich umzuschulen (Reskilling weltweit bei 67 Prozent). Hier gilt es, schnell das Bewusstsein zu schärfen, dass wir uns in einer rasanten Transformation von Wirtschaft und Arbeit befinden und wir uns mit ihr verändern. In meinem Blog werde ich in zukünftigen Posts die Veränderungen in einzelnen Berufen aufgreifen.


[1] Hier die Originalquelle von Gartner https://www.gartner.com/en/articles/beyond-chatgpt-the-future-of-generative-ai-for-enterprises

[2] Eine Kurzfassung kann hier über diesen Link nach Anmeldung bezogen werden https://www.gartner.com/en/doc/emerging-technologies-and-trends-impact-radar-excerpt

[3] Der direkte Link zu einem pdf-Dokument https://www.oecd.org/future-of-work/reports-and-data/what-happened-to-jobs-at-high-risk-of-automation-2021.pdf  

[4] Jobs lost, Jobs gained: Workforce Transitions in a time of Automation, McKinsey Gloabal Institute, Dezember 2017, https://www.mckinsey.com/featured-insights/future-of-work/jobs-lost-jobs-gained-what-the-future-of-work-will-mean-for-jobs-skills-and-wages#/

[5] In diesem Beitrag gut beschrieben: https://www.com-magazin.de/news/arbeitswelt/jobs-automatisierung-am-staerksten-gefaehrdet-2757947.html bzw. hier eine Info der EPFL https://actu.epfl.ch/news/how-to-compete-with-robots/
https://lis2.epfl.ch/resiliencetorobots/#/

[6] https://www.superlegal.ai/blog/aivslawyer/

[7] Jobs of tomorrow: Mapping Opportunity in the new economy, WEF 22, Januar 2020, https://www.weforum.org/reports/jobs-of-tomorrow-mapping-opportunity-in-the-new-economy/

[8] https://www.stepstone.de/Ueber-StepStone/press/internationale-arbeitsmarktstudie/

2 Kommentare on “Wie künstliche Intelligenz und Robotik unsere Arbeitswelt verändern

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