Feedforward, Feedback und Performance Reviews sind Instrumente, mit denen wir Menschen in und die Organisation insgesamt entwickeln wollen. Hinter allen drei Ansätzen stehen aber keine einheitlichen Standards, es gibt unterschiedlich stark definierte Rahmen. Zeit, etwas genauer hinzuschauen. Das neueste Instrument ist das Feedforward, das ich hier genauer beleuchte und in Abgrenzung zu den anderen (bekannteren) Ansätzen darstelle.
Performance Reviews (Leistungsbeurteilungen im dreisprachigen Raum) sind schon länger Elemente eines Performance-Managements in Unternehmen. Sie sind Teil einer Führungskultur des „Management by Objectives“. Auf Basis von definierten Kriterien soll die Leistung z. T. auch das Potenzial von Mitarbeitern nach einheitlichen Maßstäben beurteilt werden. Mit der Einteilung in Leistungsklassen hat das Ganze etwas von einem Schulnotensystem. Zum Teil werden in diesen Gesprächen auch persönliche Entwicklungsmaßnahmen (Training, seltener Karriereoptionen) vereinbart. Gut die Hälfte der Unternehmen nutzt Verteilungsvorgaben und/oder Abstimmungsrunden der direkten Vorgesetzten mit dem Ziel, das Instrument einheitlich im Unternehmen anzuwenden.
Unter Feedback verstehen wir in der Personal- und Organisationsentwicklung eine Rückmeldung zu einer Beobachtung auf der Sach-, Verhaltens- bzw. persönlichen Ebene. Performance-Reviews werden für mich zu Unrecht als ein Element der Feedback-Kultur gesehen. Ein standardisiertes Gespräch, ohne Rückkopplung an die Führungskraft und meist ohne Aktionsplan, hat für mich mit einem produktiven Feedback sehr wenig zu tun. Ich empfehle Ihnen meine Artikel zum Rahmen für systematisches, produktives Feedback oder meinen Feedback-Guide. Weitere Artikel zum Thema Feedback findet Ihr auch über die Suchmaske. Wenn ich über Feedback schreibe, meine ich auch jetzt diese Ansätze, nicht Performance-Reviews.
Feedforward schaut in die Zukunft und fokussiert auf Stärken
Zum Feedforward als Entwicklungsansatz gibt es für mich zwei „Urväter“– Avi Kluger[1] und Marshall Goldsmith[2]. In dem zitierten Aufsatz von Kluger unten finden Sie einen Leitfaden für ein Feedforward-Interview für Führungskräfte, Personalentwickler und Coaches. Ziel ist es herauszuarbeiten, wann und unter welchen Rahmenbedingungen Mitarbeiter am produktivsten arbeiten (das Interview sucht nach den Success Stories) und wie man motivierende und positive Handlungen für die Zukunft ableiten kann. Wie werden wir besser in der Zukunft, abgeleitet aus den eigenen Stärken bzw. Success Stories?
Im Ansatz von Goldsmith befragen Mitarbeiter ihr Umfeld selbst zu Themen, in denen sie sich für die Zukunft verbessern wollen und wählen aus den erhaltenen Ratschlägen die für sie passenden aus. Kluger und Marshall eint daher der Blick in die Zukunft, der Fokus auf Stärken und deren Entwicklung. Bei Marshall ist das Instrument sogar in der vollständigen Steuerungs- und Entscheidungshoheit der Mitarbeiter.
Mit ihrem Fokus auf wertschätzende Kommunikation gehören beide zum Ansatz der Appreciative Inquiry.
Wikipedia definiert Appreciative Inquiry[3] als:
Appreciative Inquiry, kurz AI, ist ein werteorientierter Ansatz aus der Team- und Organisationsentwicklung, der eine wertschätzende und affirmative Grundhaltung in Teams, Organisationen oder Gemeinwesen fördert, in der die wertschätzende Befragung (oder Erkundung) ein zentrales Element bildet.
Wikipedia, Link siehe Fußnote 3
Was genau ist der Unterschied zu Feedback?
Oft grenzen Autoren Feedforward als zukunftsweisend gegenüber dem „traditionellen“ Feedback ab, gemeint ist dabei aber meist das Performance-Review mit seinen negativen Begleiterscheinungen.
Ich verstehe in den verlinkten Artikeln produktives Feedback auch als Element der Appreciative Inquiry. Mit dem wechselseitigen Austausch auf Augenhöhe, dem Fokus auf Stärken und dem Ziel, die persönliche Entwicklung des Gesprächspartners mit Empfehlungen fördern zu wollen und dem offenen Rahmen sehe ich nur wenig Unterschied zum Feedforward. Einen genaueren Vergleich zeigt die Tabelle, hier habe ich alle drei Ansätze nach den für mich wichtigsten Parametern bewertet.
Parameter | Performance Review | Feedback* | Feedforward |
Philosophie dahinter | Management by Objectives | Appreciative Inquiry | Appreciative Inquiry |
Fokus | Beurteilung von Mitarbeitern, in Teilen Qualifizierung | persönliche Entwicklung, Coaching | persönliche Entwicklung, Coaching |
Betrachtungs-zeitraum | Vergangenheit | Gegenwart, jüngere Vergangenheit | Gegenwart, Zukunft |
Einsatz | Top-Down | 360-Grad, wechselseitig | 360-Grad, wechselseitig |
Wer steuert das Gespräch | Vorgesetzte | Im formalisierten Prozess der Feedback-Nehmer | der Feedforward-Nehmer |
Betrachtet auch persönliche Schwächen | ja | ja, Fokus aber Stärken | Nein |
Enthält Aktionsplan? | Eher nicht, nur bei Vereinbarung von individuellem Trainingsmaßnahmen | ja | ja |
Rahmen, Rolle HR | stark reguliert, HR als überwachender Prozessowner | Guidelines, HR treibt Change, nicht Prozess. | Guidelines, HR treibt Change, nicht Prozess. |
Anwendungs-Intervall | jährlich | Nach Bedarf bzw. mind. einmal im Quartal | Nach Bedarf |
Wirkung für Organisation | Angstbehafteter Prozess, biased, kann demotivierend wirken | Fokus auf Verbesserung setzt Potenziale frei | Fokus auf Verbesserung setzt Potenziale frei |
Unterschiede gibt es zwischen den beiden Konzepte, dass Feedback auf Beobachtungen in der Gegenwart und jüngeren Vergangenheit fußt (daraus neben Stärken auf für Entwicklungsfelder Änderungen für die Zukunft ableitet) und Feedforward ausschließlich auf Stärken basiert und in die Zukunft schaut. Das ist es aber auch schon. Insofern sind Feedback (wie ich es verstehe) und Feedforward starke Treiber in einer transformationalen Organisationsentwicklung, die sich in einem Gespräch auch perfekt verbinden lassen. Zudem steuert in meinem Rahmenkonzept für Feedback der Feedbacknehmer den Feedbackprozess eigenständig und ist auch in dem Punkt zum Ansatz von Marshall sehr ähnlich. Feedback und Feedforward sind für mich daher zwei Seiten derselben Medaille „produktive Entwicklung von Menschen und Organisationen“.
[1] Kluger, A. N., & Nir, D. (2010). The Feedforward Interview. Human
Resource Management Review, 20, 235-246. https://www.researchgate.net/publication/234727011_Author’s_personal_copy_The_feedforward_interview
[2] http://www.marshallgoldsmith.com/wp-content/uploads/2016/04/Try-Feedforward-Instead-of-Feedback-German-ver-3.0.pdf