Ich erlaube mir, mit einer kurzen Bewertung des Equal Pay Day der letzten Woche zu beginnen.
Wenn man sich die harten Fakten anschaut, dann hat sich in den letzten Jahrzehnten wenig bis gar nichts verändert. Die Gehaltslücke liegt immer noch bei 18 bzw. 7 Prozent. Die Rezepte von Politik und Gewerkschaften spiegeln diesen Stillstand wider. Für gleiche Bezahlung wollen die Gewerkschaften (DGB) die Tarifbindung erhöhen, unser Arbeitsminister die Entgelttransparenz. Tatsächlich sinkt die Tarifbindung bei Gewerkschaften und Arbeitgebern, ohne dass eine Trendumkehr realistisch ist. Gesetzgeberische Optionen zur Erhöhung der Tarifbindung oder zur Entgelttransparenz über das bestehende Entgelttransparenzgesetz hinaus stoßen an verfassungsrechtliche oder datenschutzrechtliche Grenzen. In der Woche nach dem Equal Pay Day ist der „Aufschrei“ auch schon wieder verstummt.
Hilfe von außen wird es also kaum geben. Zwei Chancen sehe ich: Zum einen müssen sich Frauen noch mehr selbst helfen, für ihre Rechte kämpfen und zum anderen unterstützt der Fachkräftemangel, dass immer mehr Arbeitgeber umdenken. Es geht im Folgenden darum, was man (nicht nur Frauen) selbst tun kann, wenn der Arbeitgeber keine transparenten und fairen Verfahren hat.
Entgelttransparenz kann man heute selbst erreichen.
Schritt 1: Holt Euch Marktdaten
Marktdaten sind heutzutage sehr leicht zu bekommen. Im Internet findest Du inzwischen sehr hilfreiche und kostenlose Informationen darüber, wie viel man in einzelnen Jobs verdienen kann, z.B. bei Stepstone/Gehalt.de (Gehalt.de gehört zu Stepstone), Gehaltsreporter.de und deren Kooperationspartnern Hays, Perm4 und rexx systems, Glassdoor, Xing und natürlich auch beim Entgeltatlas der Bundesagentur für Arbeit.
Die Werte, die man dort für die gleiche Position erhält, unterscheiden sich je nach Anbieter. Deren Datenbanken differieren in der Struktur der Daten (Größe der Unternehmen, Berufserfahrung, Branche der Mitarbeiter für die Daten erfasst werden) und diese Faktoren beeinflussen die Höhe des Gehalts. Außerdem gibt es verschiedene Aufbereitungen der Daten:
- Durchschnitt mit Spannweiten vs. Median und Quartilen
- Berücksichtigung von Berufserfahrung
- Berücksichtigung der Region
- Bei einigen Anbietern kannst Du auch weitere Informationen zur Vergütungsstruktur und den Nebenleistungen in Detailberichten abrufen. Hierfür musst Du Dich registrieren und im Gegenzug zu den Informationen Deine eigenen Gehaltsdaten und weitere Vertragskonditionen eingeben.
Ich empfehle, sich bei den oben genannten Anbietern über die erzielbaren Gehälter zu informieren. Neben den oben genannten Anbietern lohnt es sich auch, sich über Suchmaschinen einen Überblick zu verschaffen. Hier musst Du gezielt nachfragen. Zum Beispiel: Was verdient ein Personalreferent mit 10 Jahren Berufserfahrung im Raum Köln? Suchmaschinen zeigen dann auch Informationen von Anbietern, die spezielle Marktsegmente abbilden, wie z.B. Kienbaum für Führungskräfte. Die Chat-Funktionen von Suchmaschinen bieten oft schon einen guten ersten Überblick.
Ich mache hier keine Werbung für einen Anbieter. Ich nutze die Daten, die nach Median und Quartilen gegliedert und nach Berufserfahrung und Region differenziert sind und vergleiche die Ergebnisse dann mit anderen Quellen.
Neben Daten für den gleichen Job, könnt Ihr Euch über Jobs informieren, die Ihr Euch von der Qualifikation her auch zutraut. So bekommt Ihr Transparenz über Entwicklungsoptionen und manchmal werden Jobs mit ähnlichen Qualifikationen besser bezahlt.
Schritt 2: Redet über Eure Gehälter
Von Arbeitgebern nicht gern gesehen, aber zunehmend Realität. Man spricht über das Gehalt. Fragt zumindest ausscheidende Kolleg*innen, wie hoch ihr Gehalt ist. Geht auch mit Kollegen ins Gespräch über das Thema Lohngerechtigkeit. Der Equal Pay Day ist ein guter Aufhänger. Nach dem Gehalt zu fragen, erfordert etwas Mut und Sensibilität. Andererseits ist der/die Kolleg*in genauso interessiert zu erfahren, was Ihr verdient.
Schritt 3: Nutzt diese Vergütungsdaten für Euer persönliches Benchmark
Mit den Gehaltsinformationen aus den beiden Punkten habt Ihr eine gute Transparenz, was Ihr in Eurem oder auch in anderen Unternehmen für den selben Job verdienen könnt. Schreibt auf, was Ihr verdient, was Eure Kollegen, daneben noch das Ergebnis Eurer Marktdatenanalyse.
Schritt 4: Analysiert Eure Erwartungen an den Job, den Arbeitgeber und Eure Karriere
Neben der Frage, ob die Vergütung für Euch fair ist, solltet Ihr Euch ein Gesamtbild Eures Arbeitgebers machen, denn Gehalt ist nur ein (allerdings oft essentieller) Aspekt. Auch für diesen Teil braucht man Mut, denn man muss sich offen und ehrlich mit seinen Erwartungen auseinandersetzen. Mögliche Fragen für die Selbstreflexion sind:
- Was sind meine Ziele für diesen Job?
- Kann ich diese Ziele hier verwirklichen?
- Wie möchte ich geführt werden?
- Wie werde ich hier von meinen Vorgesetzten und Kollegen behandelt?
- Werde ich ausreichend gefördert?
- Bekomme ich Weiterbildung und Training on the job, die mich auf dem Stand der Anforderungen in meinem Beruf halten?
- Bin ich gut ausgelastet, über- oder unterfordert?
- Fühle ich mich hier wohl?
Wichtig: Die Ergebnisse Deiner Selbstreflexion notieren/festhalten.
Das Ergebnis dieser Selbstreflexion ist, dass man sich klarer darüber wird, was man an seiner derzeitigen Arbeit schätzt und wo es Defizite gibt.
Schritt 5: Emotionen einbeziehen
Ihr habt nun eine klare Vorstellung davon, inwieweit Eure Erwartungen mit Eurer aktuellen Arbeitssituation übereinstimmen. Neben der Bewertung auf dieser rationalen Ebene sind Emotionen ein wichtiger Motivator für Veränderungen.
Hört in Euch hinein:
Was hat Euch bei der obigen Analyse überrascht, gefreut oder geärgert? Wo hättet Ihr Euch im Nachhinein gewünscht, aktiver gewesen zu sein?
Schritt 6: Setzt Euch Ziele
Auf der Grundlage der Analyse und Bewertung Eurer Emotionen setzt Ihr Euch Ziele, die Ihr erreichen wollt. Dabei empfehle ich, Prioritäten zu setzen. Was ist mir besonders wichtig und was kann ich schnell erreichen? Außerdem solltet Ihr auch die mittelfristig wichtigen Ziele im Auge behalten.
Auch hier hilft es, die Ziele aufzuschreiben und regelmäßig zu überprüfen, zu bestätigen und gegebenenfalls an neue Entwicklungen anzupassen.
Schritt 7: Schafft Optionen! Warum nicht mal eine Bewerbung schreiben?
Erfolg ist die Summe der Möglichkeiten im Leben. Wer keine Optionen hat, sie sich nicht selbst schafft, hat keine Chance, eigenständig etwas zu verändern und kommt in der Regel nicht voran. Oder noch schlimmer: Ohne Optionen kann man beruflich in eine Sackgasse geraten, aus der man nicht mehr bzw. nur noch sehr schwer herauskommt.
Vor allem, wenn Ihr mit Eurer aktuellen Situation unzufrieden seid und Eure Analyse zeigt, dass Wunsch und Wirklichkeit weit auseinander klaffen: Bewerbt Euch, testet Euren Marktwert! Schon durch die Bewerbung lernt man andere Unternehmen, andere Unternehmenskulturen, andere mögliche Chefs (ich meine hier und später mit Chefs immer männlich/weiblich/divers) und Kolleg*innen kennen. Ihr erfahrt, wie viel Ihr dem anderen Unternehmen wert seid.
Und noch einmal: Optionen schaffen! Wer sich nicht bewirbt, ist in einer Sackgasse. Ein Nebeneffekt ist, dass Ihr im Bewerbungsprozess auch merkt, was Ihr an Eurem jetzigen Job schätzt.
Und wenn das neue Unternehmen Euch will, habt Ihr die süße Qual der Wahl.
Schritt 8: Habt Mut, in die Verhandlung zu gehen
Euer Vergleich zeigt, dass Ihr zu wenig verdient? Dann ist der nächste Schritt, Euren Chef/Arbeitgeber um ein Gespräch zu bitten. Meine Empfehlung ist, gleich bei der Terminanfrage zu erwähnen, dass Ihr über Euer Gehalt sprechen wollt. Lasst Euch nicht abwimmeln und besteht auf dem Termin. Eine offensive Strategie ist meiner Erfahrung nach bei Gehaltsverhandlungen erfolgreicher und der Arbeitgeber kann dann im Termin nicht sagen, er könne jetzt nichts sagen und müsse sich erst vorbereiten.
Eine gute Vorbereitung auf dieses Gespräch ist das A und O. Schreibt auf:
- Was waren Eure Erfolge?
- Welchen Beitrag habt Ihr für das Unternehmen bzw. Team geleistet?
- Welche Rolle habt Ihr im Team eingenommen?
- Wie habt Ihr Euch weiterentwickelt und seid Ihr dadurch produktiver und wertvoller für das Unternehmen geworden?
- Das Ergebnis Eurer Gehaltanalyse. Informiert Euch außerdem über die Höhe der Tarifabschlüsse in diesem Jahr, am besten in Branchen, die Eurer Tätigkeit nahe stehen.
- Wann habt Ihr das letzte Mal eine Gehaltserhöhung bekommen, wie hoch war sie – absolut und relativ? Wie hoch war die Inflation seitdem?
- Anfragen von Unternehmen, Headhuntern, auf die Ihr verweisen könnt, oder Angebote, die Ihr bisher abgelehnt habt. Ihr könnt diesen Punkt offensiv darstellen (es muss jetzt etwas passieren) oder als Beweis eurer Loyalität zum Unternehmen.
Durch die Vorbereitung entwickelt Ihr eine gute Einschätzung, wie wichtig Ihr für das Unternehmen seid und wie sehr Euer Chef Euch schätzt. Auf dieser Basis könnt Ihr Euch einen Zielkorridor für die Gehaltserhöhung festlegen, den Ihr verhandeln wollt. Also, was Ihr mindestens erreichen wollt, was Ihr für realistisch haltet und was ein hervorragendes Ergebnis ist.
Spielt den Termin mit Partner*in bzw. Freunden durch und übt Eure Argumente, warum Ihr für das Unternehmen wichtig seid und jetzt eine Gehaltserhöhung verdient.
Für das Gespräch mit dem Chef muss man flexibel sein, denn es gibt viele Möglichkeiten, wie der Chef reagieren kann. Ich schreibe hier einen Auszug der häufigsten Möglichkeiten auf:
- Vielleicht macht er/sie direkt ein gutes Angebot, Ihr braucht gar nicht zu argumentieren. Dann ist die Frage, ob ihr nachverhandelt. In der Regel gibt es Verhandlungsspielraum.
- Der Chef lässt Dich kommen. Dann solltet Ihr zunächst Eure ausgearbeiteten und geübten Argumente vortragen. Bevor Ihr dann mit Eurer Gehaltsforderung kommt, solltet Ihr ihn/sie fragen, ob er/sie Deine Meinung über Deinen Beitrag für das Team oder das Unternehmen teilt. Dann ist er/sie am Zug und in den meisten Fällen wird es keine andere Einschätzung geben. Kommt dann immer noch kein Angebot, könnt Ihr entweder fragen, wie viel Gehaltserhöhung Ihr Eurem Chef wert seid, oder offensiver eine Gehaltserhöhung fordern, die am oberen Ende eures Gehaltskorridors liegt. Auf jeden Fall seid Ihr dann in Gehaltsverhandlungen und werdet einen Kompromiss finden.
- Bereitet Euch auf den Worst-Case vor: Auch wenn Euer Chef eine Gehaltserhöhung ablehnt, ist es wichtig, dass ihr Eure Sicht auf Euren Wert für das Team dargelegt habt und genau nachfragt, warum es keine Gehaltserhöhung geben soll. Wenn als Argument angeführt wird, dass es dem Unternehmen gerade schlecht geht oder dass Ihr bestimmte Themen noch lernen müsst, ist es wichtig, einen Termin zu vereinbaren, an dem Ihr erneut über eine Gehaltserhöhung sprechen könnt.
Lasst das Gespräch noch einmal Revue passieren. Was habt Ihr gut gemacht, was könnt Ihr beim nächsten Mal noch besser machen?
Schreibt das bitte auch auf.
Wenn Ihr zum Beispiel mit dem Ergebnis nicht zufrieden seid, wenn Ihr in dem Gespräch nicht genügend Wertschätzung erfahren habt, dann ist meine Empfehlung, dass ihr Euch ernsthaft mit einem Jobwechsel auseinandersetzt. Mut zur Veränderung! Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist für die allermeisten Jobs sehr gut. Wenn nicht jetzt, wann dann?
Schritt 9: Vernetzen/Unterstützung suchen
Netzwerken ist auch eine gute Hilfe, weil man sich dort Anregungen holen kann, wie andere vorankommen. Für die Punkte ab 4. kann man auch professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, z.B. Coaches, die sich mit Positionierung, Karriere und Verhandlungsführung auskennen.
Ich hoffe, das hilft Euch. Wie immer freue ich mich auf Feedback und Eure Sicht.